Mittwoch, 5. Januar 2011

Spirits in the night

Am Nachmittag hatte Madé, der technische Verwalter des Cili Emas Resorts, eine der beiden LED-Leuchten über meinem Bett ausgetauscht. Genau die, die direkt über meinem Kopfkissen für Leselicht sorgt, hatte ihren Lampengeist aufgegeben. Als ich am späten Abend ins stockdunkle Zimmer gehe mache ich den Test. Meine Hand tastet zum Kippschalter an der Wand. Beide Strahler geben Licht, und ich kann noch etwas lesen.
Cili Emas Garten bei Nacht


Mitten in der lauen Nacht werde ich wach. Die lautstarken, abwechselnd ablaufenden Quakprogramme der unzähligen Frösche dringen nur gedämpft bis zu mir durch. Vor dem Einschlafen hatte ich mir noch die Ohrstöpsel in die Ohren geschoben. Ich muss auch nicht, wie üblich, zur Toilette und weiß eigentlich gar nicht warum ich wach geworden bin. Ich liege auf dem Rücken.
Im nachtschwarzen Zimmer geht mein Blick nach oben unter den Himmel des riesigen Mosquitonetzes über dem ebenso riesigen Bett als plötzlich die Lampe über mir für etwa eine Sekunde lang hell aufleuchtet. Wackelkontakt?
Ich überlege, wie so etwas möglich sein kann. Denn immer, wenn ich den Schalter betätige, gehen zwei Lampen an. Wie kann es also sein, dass nun nur eine davon leuchtet? Müssten bei einem Kontaktfehler die zusammen geschalteten Leuchten nicht beide angehen? Begriffe fliegen durchs Hirn. Parallelschaltung – Reihenschaltung. Mein begrenztes Wissen im Fachgebiet Elektrik lässt mich keine schlüssige Antwort finden.
„OK“, denke ich resignierend, „wir sind hier auf Bali. Das ist die Insel der Götter, Geister und Dämonen. Jeder Balinese glaubt hier mit tiefster Überzeugung an Geister. Das gesamte Leben der Menschen ist einzig und allein daran ausgerichtet. Also, versuche ich es einfach auch mal auf diese Art.“
Ich lege die Hände vor der Brust zusammen und formuliere in Gedanken meine Begrüßung:
„Hallo, Du netter Dämon. Bist Du gerade durch das Licht hier herein gekommen? Schön, dass Du da bist. Bei der Gelegenheit, Kumpel, ich bin noch eine Weile auf der Insel unterwegs, auch mit dem Moped. Würdest Du da bitte ein wenig auf mich aufpassen?“
Schon im gleichen Augenblick entschuldige ich mich aber unverzüglich für das schnodderig daher gedachte Wort ‘Kumpel‘ und bezeuge meine gedankliche Hochachtung und Ehrerbietung. Ich mache mich vor ihm klein und entschuldige mich unterwürfig für die unbedachte Missachtung der machtvollen Überlegenheit eines Dämons.
Bis auf die Nächte in denen Sturm und Regen ums Haus peitschten schlafe ich ausgestreckt auf dem Bettlaken ohne mich zuzudecken. Die Nächte sind nicht kalt, und ich friere nicht. In diesem Augenblick aber fühle ich, wie meine Haut ganz plötzlich abkühlt. Dann ziehen mehrere Wellen Gänsehaut hintereinander über den gesamten Körper.
„In Deiner Nähe scheint es verdammt abzukühlen, mein guter Dämon. Bist Du vielleicht oben vom Berg?“ denke ich und drehe mich auf die Seite. Als ich die Augen gerade wieder schließen will kommt mir noch ein Gedanke. Sollte es wirklich mächtige Geister, Dämonen oder wie auch immer benannte Geistwesen geben, die in der Lage sind, solch eine merkwürdige Abfolge von Unerklärlichkeiten auszulösen, dann frage ich einfach mal nach einem Beweis. In Gedanken spreche ich den vermeintlichen Dämon noch einmal an.
„Würde es Dir etwas ausmachen, mir Deine Echtheit zu beweisen? Ich bin kein Balinese, weißt Du, mir fällt es nicht so leicht an Euch zu glauben. Also, wenn Du jetzt gehst, dann mach doch bitte dieses eine Licht noch einmal an.“
Gedanklich an mich selbst gerichtet füge ich noch an: Jetzt drehst du aber langsam wirklich durch, Kollege. Vielleicht solltest du doch nicht so lange alleine reisen. Dabei blicke ich wieder nach oben und sehe, wie die Lampe über mir wieder kurz hell aufleuchtet. Etwas schwächer als beim ersten Mal, aber sie hat eindeutig gestrahlt.
Wie elektrisiert bleibe ich, mit den Augen auf die Lampe fixiert, liegen. Ganz klar, wenn das tatsächlich ein Wackelkontakt ist, dann wird das An und Aus vermutlich die ganze Nacht so weitergehen. Jetzt will ich es wissen. Nach unendlich erscheinendem, etwa 30 bis 40 Minuten andauerndem, krampfhaftem Starren auf die Lampe, schlafe ich ein. Das Licht ist nicht wieder aufgeflackert. 

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