Mittwoch, 15. Dezember 2010

wen die Geister lieben

Bali wird die Insel genannt, die die Götter lieben. Die müssen hier aber auch die Menschen sehr lieben, denn an kaum einem anderen Ort der Welt wird ihnen so viel Respekt und Beachtung zuteil wie hier. Man sieht die Opfergaben an den Straßen, an den Altären in Gärten und Häusern, an Steinen und Bäumen, an schönen Ausblicken, und an Feldrändern. Überall bezieht man die Geistwesen mit ein. Man denkt an sie. Sie sind in der Vorstellung der Balinesen ungeheuer wichtig, denn sie entscheiden über Wohl und Wehe der Menschen, und müssen freundlich gestimmt werden.
Manchmal melden sich die Götter und Geister auch zu Wort. Dann fahren sie in die Menschen, die sie für geeignet halten, und geben sich zu erkennen. Ein solches Medium dient dann quasi als Lautsprecher für den Geist und verkündet, mal mehr und mal weniger verständlich, den Willen des Geistwesens.
Großer Bale im Cili Emas - Restaurant
     
Madé, ein besonders liebes und freundliches Mädchen aus dem Personal des Cili Emas Resorts, sackt plötzlich in der Küche neben ihrer Kollegin zusammen. Sie sagt noch, dass es ihr schwarz vor den Augen würde. Dann liegt sie wimmernd und schluchzend auf dem Boden. Ein Helfer trägt sie zum Sofa. Sie krümmt und windet sich, weint mal lauter und wimmert mal leiser. Den beteiligten Zeugen des Vorgangs vor Ort ist sofort klar, dass  etwas Spirituelles die Ursache sein muss, für mich sieht es aus, als habe sie sich in der Küche verletzt. Für das Mädchen ist es nicht das erste Mal, dass sie in diesen Zustand gerät. Menschen, die die Gabe besitzen als Empfänger für die Geister dienen zu können, sind üblicherweise dazu bestimmt Priester zu werden. Nach etwa 10 Minuten sitzt das Mädchen etwas benommen auf dem Sofa, ihr Vater ist gekommen. Sie lächelt schon wieder und beginnt damit den Tisch für das Abendessen einzudecken. Vom Zustand ihrer Trance weiß sie nichts, sie erinnert sich an nichts aus dieser Phase.

Nach so einem Erlebnis drängt sich natürlich die Frage auf, was für ein Phänomen ist das? Wie kann man es erklären? Ist es überhaupt notwendig, dass man immer für alles eine Erklärung haben muss, oder kann man nicht einfach hinnehmen, dass es so ist?
Weltweit werden Zustände dieser Art von Menschen erfahren, die sehr eng mit ihrer Tradition und Religion leben. „Gespräche“ mit der anderen Seite kennen wir aus Tibet und Nepal, von den Indianern, den Aboriginies, Menschen aus abgelegenen Bergtälern, und von afrikanischen Stämmen. Es handelt sich in der Regel um eng mit der Natur verbundene Völker, die dieses Eindringen von Geistern in Körper in ihrer Kultur kennen.

Sind die Geister in den Regionen in denen sie ganz besonders geehrt werden eher bereit sich zu zeigen, als beispielsweise im modernen, westlichen Leben, wo sie in den Gedanken der Menschen nicht mehr auftauchen? Warum sollten sie sich auch da zeigen, wo man nicht an sie glaubt? Was hätte das für einen Sinn? Der Person, durch die sie sich offenbarten, würden sie sogar Schaden zufügen, denn die würde vermutlich für verrückt erklärt. Das Fazit dieser Theorie wäre dann: Es gibt diese Geistwelten. Kontakt ist aber nur herstellbar, wenn man fest im Glauben daran verankert ist.

In Kulturkreisen, in denen Geister von Kindheit an zum Leben gehören, wo ihnen in Ritualen gehuldigt wird, wird vielleicht im Bewusstsein der Menschen etwas gepflanzt, dass sie nur glauben lässt, an der einen oder anderen Stelle des Lebens einen Kontakt zur anderen Seite haben zu können. Dieser Glaube ist in Wirklichkeit aber eine Einbildung. Und die ist so stark, dass die betroffene Person es für real hält, was ihr in ihrer  Vorstellung vom Zusammentreffen zwischen Geist und Mensch durch den Kopf fährt. Ich denke dass es möglich ist, dass in einer Gesellschaft, in der ausnahmslos alle von Kind auf die Existenz von Geistererscheinungen für absolut natürlich halten, bestimmte Menschen Bilder aus ihrer Vorstellung so real vor Augen sehen, dass sie fest davon überzeugt sind, ein Teil vom Konstrukt ihres eigenen Geistes zu sein. Sie sehen einen 3-D-Film, in dem sie mitspielen, und zwar so wirklichkeitsnah, dass sie beschwören es sei so und nicht anders tatsächlich geschehen.
Auch die Marienerscheinungen aus katholischer Tradition wären dann dieser Kategorie zuzuordnen. Fazit hierbei: Es gibt die Geisterwelt nicht. Sie ist eine Einbildung, die in den Köpfen der Menschen entsteht, weil sie die Vorstellung davon permanent in ihr reales Leben hinüberziehen und darin einbetten.

mein Schreibtisch im Bale


Ich bin mir nicht sicher, welche Erklärung für mich die plausiblere ist. Eines steht jedoch unbestreitbar fest: Ein in sich ruhender, keinen Gedanken mehr nachjagender, reiner Geist in tiefer Versenkung, ist zu erstaunlichen Leistungen fähig. Er kann Körperfunktionen, wie Atmung, Herzschlag und Hirntätigkeit, auf schier unglaubliche Weise beeinflussen, und er kann in einem einzigen Augenblick tiefster Meditation alle hochkomplizierten Zusammenhänge dieser Welt erkennen, und anschließend in sich schlüssig erklären. Aufgeschrieben füllt dieses blitzartig erkannte Wissen, in einem speziellen Fall, mit Anhängen und Erklärungen zig Bände (Weisheitslehre des Buddha). Warum sollte dieser erstaunliche menschliche Geist nicht auch in der Lage sein, bei bestimmten Personen, und in bestimmten Momenten, die Lücke auszufüllen, die es von Natur aus in den Dingen zwischen Himmel und Erde gibt? Die Frage bleibt allerdings, warum diese Menschen in der Überzahl in hoch religiösen, und/oder naturnahen Gemeinschaften zu finden sind. 

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